Wie Pfeile in der Hand

Predigt zu Psalm 127, 4; Psalm 68, 26; Psalm 126, 3


"Ein Pfeil kann seine Energie auf sein Ziel hin bündeln und treffen." © G. Rieger

Ein Pfeil will fliegen, ist dafür da zu fliegen, aber er muss eine Richtung haben, sonst geht sein Schuss ins Leere. Eine Ansprache zu Taufe und Konfirmation.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten, Verwandte und Freunde, liebe Gemeinde!

Ich möchte Euch heute so viel sagen und habe mir dazu vorgenommen, Euch alle jeweils direkt anzusprechen: Die Jungen, die Mädchen und Sie, die Eltern, Paten, Verwandten auch!

Ich will das deshalb tun, weil in Eurer Gruppe der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen so deutlich zu spüren war. Da haben wir viel „Spaß“ mit gehabt, sage ich mit leichtem Unterton... Ihr habt es trotzdem immer wieder geschafft, zu einer Gruppe zu werden. Das ist ein kleines Wunder!

Den coolsten und klügsten Spruch von Euch Jungs hat einer von Euch hier in der Kirche gebracht, als es in einer Unterrichtsphase, nun ja: sehr lebendig zuging: „Hej, Michi, wir sind Jungs, wir müssen so sein - wir meinen’s nicht böse, wir pubertieren nur!“

Ja, Jungs, so ist das und so seid Ihr! Psalm 127, Vers 4Und ich sage Euch daraufhin ein Bibelwort aus den Psalmen - :

Wie Pfeile in der Hand eines Starken, so sind die Söhne der Jugendzeit.

Pfeile in der Hand als Bild für Euch Jungen, die es nicht böse meinen - ich finde das toll, auch wenn man dieses Bild natürlich vor jedem Waffencharakter schützen muss.

Pfeile in der Hand – da erkenne ich vor allem die Energie wieder, die in Euch einfach da ist und die sich anders gebärdet als die Energie, die die Mädchen haben. Jungen sind auf ganz eigene Weise raumgreifend. Sie füllen spielend, ohne es böse zu meinen, die größten Räume mit Schall und mit Bewegung, mit Kissen und liegengelassen Arbeitsmaterialien.

Ein Pfeil ist elegant; er ist für den Flug konstruiert. Dass in Euch eleganten Formen stecken, eine Möglichkeit zu eleganter, schneller Bewegung, ahnt man manchmal nicht in diesen Hosen, die bis zu den Kniekehlen reichen. Aber selbst mit solchen Hosen kriegen manche von Euch ganz unglaubliche Sachen zustande.

Ein Pfeil kann fliegen. Er kann die Energie, die er über die gespannte Bogensehne mitbekommt, nutzen und einen geraden Flug hinlegen. Er kann seine Energie auf sein Ziel hin bündeln und treffen. Auch das ist in Euch angelegt! Und dass wir genau das können, konzentriert auf ein Ziel hin handeln, ohne uns groß ablenken zu lassen, das sagt man uns Jungen, uns Männern nach. Das bewundern die Frauen und Mädchen an uns, weil wir dabei oft Erstaunliches fertig kriegen, und das nervt sie auch, weil die meisten von uns nicht kochen und gleichzeitig abwaschen können!

Ein Pfeil will fliegen, ist dafür da zu fliegen, aber er muss eine Richtung haben, sonst geht sein Schuss ins Leere. Euch ein wenig Richtung für den Pfeilflug des Lebens mitzugeben, das haben auch Rotraud und ich versucht. Heutzutage die Richtung fürs Leben zu finden, ist für einen Jungen so schwer wie nie zuvor, weil es keine eindeutigen Rollenvorbilder mehr gibt, so gut wir Väter unsere Aufgabe bei der Suche nach Orientierung auch erfüllen mögen. Früher war völlig klar, was ein Mann tun sollte: Schule, Ausbildung, Beruf, Ehefrau, Haus, Kinder, Geld verdienen. Heute ist viel in Bewegung und jeder von Euch, von uns muss im Gespräch mit seiner Partnerin und auch mit anderen Männern den eigenen Weg finden.

Ich möchte Euren Blick für den Pfeilflug des Lebens heute noch einmal in den Himmel lenken: Am Ende der biblischen Noahgeschichte setzt Gott als Zeichen seiner Treue seinen Bogen in den Himmel und sagt: Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. (Gen 9, 13)

Das wäre was, wenn dieser siebenfarbige Bogen Gottes für Euch der Ort wäre, an dem Eure Energie sein kann, von dem aus sie losgeht und sich auf ein Ziel hin bündelt! Dann wärt Ihr Rainbow-warriors - Regenbogenkrieger, die den Flug ihres Lebens von Gott auf ein gutes Ziel hin lenken lassen. Und solche Regenbogenkrieger, mit einem ruhigen, friedvollen Herzen und einer festen Hand, die brauchen wir überall!

In der Mitte die jungen Frauen, die da Pauken schlagen.

Für Euch Mädchen habe ich lange nach einem passenden Bibelwort gesucht. Es ist natürlich einfach, Bibelsprüche zu finden, die schöne jungen Mädchen beschreiben. Dass Ihr das seid, ist doch offensichtlich: Wunderhübsch seht Ihr aus, allesamt! Man kann Euch aber doch nicht nur auf Äußerlichkeiten festlegen. Dass es da einen Quotenrenner im Fernsehen gibt, bei dem junge Frauen nur dann weiterkommen, wenn sie auf Stöckelschuhen gerade gehen und ihre Locken richtig liegen, das soll in der Kirche durchbrochen werden! Und deshalb für Euch – die Mädchen, die schön sind, aber noch viel mehr! - Psalm 68, Vers 26:

Die Sänger gehen voran, am Ende die Spielleute, in der Mitte die jungen Frauen, die da Pauken schlagen.

Wenn ich mir dieses Szene vorstelle mit den Sängern vorweg, den Spielleuten, der Kapelle hinterher und den jungen Frauen in der Mitte, dann fällt mir etwas auf, was auch unseren Konfirmandenunterricht geprägt hat und was sich in vielen anderen Lebenszusammenhängen ebenfalls bewahrheitet: Ihr seid in der Mitte! Die Frauen, die jungen und die älteren, stehen im Mittelpunkt einer Gruppe, die manchmal großes Getöse um sich verbreitet, und geben den Takt vor! In biblischen Zeiten gab es keine Notenschrift. Die Menschen hatten wohl überlieferte Melodien, aber im Großen und Ganzen haben sie aus dem Gefühl heraus Musik gemacht. Und diese Prozession, die da in Eurem Bibelwort vorgestellt ist, wäre verloren, wenn die jungen Frauen nicht den Takt des gemeinsamen Musizieren angeben würden.

Und so ist das auch: Ihr schlagt die Pauke, manche von Euch das ein bisschen leisere Tamburin, in dem Takt und Rhythmus, in dem sich der Rest der Gruppe dann bewegt! Konfer und so vieles andere im Leben ohne die besonderen Gaben von Euch Mädchen wäre unvorstellbar. Und das hat auch mit einer Euch eigenen Musikalität zu tun, obwohl nicht jede von Euch ein Instrument spielt. Ihr habt Taktgefühl, könnt nicht nur gut tanzen – manche wie Shakira, manche atemberaubend Limbo -, sondern auch Stimmungen aufnehmen. Ihr reagiert empfindlich, wenn der Ton nicht stimmt, der zwischen Menschen herrscht. Ihr leidet darunter und findet im Gegensatz zu den meisten Jungen Worte dafür und könnt so manches wieder gut machen, was sonst verloren wäre. Ich erinnere mich an Gespräche mit Euch, besonders bei unseren Seminaren abends auf den Zimmern, wenn Ihr so etwas im Gruppenleben gespürt habt und auch ausdrücken konntet.

Taktgeberinnen übernehmen Verantwortung für andere! Und jetzt kann man sagen, dass ist Euch genauso anerzogen wie den Jungen das Energie-auf-ein-Ziel-hin-bündeln, aber egal: Beides tut zu seinen Zeiten einer Gruppe, einer Lebensgemeinschaft von Menschen sehr gut! Und es ist ja nicht so, dass aufmerksame Mädchen nicht auch zielstrebig sein könnten, oder dass es keine taktvollen Jungs gäbe.

Den Takt einer Gruppe vorgeben, ist etwas Starkes; und Ihr seid stark, Mädchen! Wer in der Mitte steht und sich traut, sein Hirn und sein Herz zu benutzen und das, was dabei raus kommt auch in Worte fassen kann und den Mund aufmacht und mutig sagt: „Hej, hier läuft was falsch, lasst uns das so machen! – Nun gib’ doch mal Ruhe, sonst kommen wir nicht weiter!“ hat Anführerinnenqualitäten!

Eure Pauken, Eure Tamburine haben in unserer Gruppe hörbar geschlagen, auch wenn Euch das sicher manchmal Kraft gekostet hat gegen das Krakeel der Sänger und dem Getöse der Spielleute.

Ganz wichtig ist, was den eigenen Takt bestimmt – ob das nur die Anforderungen von Schule und später Beruf und Familie sind, von denen man sich hetzen lässt, oder ob da noch Raum für einen anderen Klang ist, den man aufnimmt und weitergibt.

Ihr habt hier im Unterricht, in der Kirche auch etwas vom Takt Gottes gelernt, vom Rhythmus der gemeinsamen Gebete, vom Stillewerden und sich dann wieder Ausbreiten. Gott hat Euch mit den 60, 70 Schlägen in der Minute einen guten Takt ans Herz gelegt und wenn ihr Euren Paukenschlag danach richtet, Euch nicht aufreiben lasst von all den Ansprüchen, die andere an Euch richten, sondern zu dem steht, was so nur ihr könnt, dann werdet ihr Euren Ort in der Mitte finden als starke junge Frauen, die ihre Pauke, ihr Tamburin hörbar schlagen.

Gott hat ein Großes an uns getan.

Wenn ich nun zum Psalmwort für die Eltern, und damit auch die Paten und Verwandten komme, dann erinnere ich mich an eine Geburtsanzeige von vor ziemlich genau 14 Jahren. Ein junges Paar kündigte die Geburt ihrer Tochter an. Und da die beiden nicht nur bibelfest, sondern auch humorvoll waren und sind, hatten sie ein süßes winzigkleines Baby aufgezeichnet und dazu Psalm 126, Vers 3 geschrieben:

Der Herr hat ein Großes an uns getan, des sind wir fröhlich.

Dieses winzig kleine Baby, das seine Eltern damals als großes Gottesgeschenk empfunden haben, ist heute wirklich groß geworden - über 1,70 sind es bestimmt! Und wenn Sie alle, die Eltern, Paten und Verwandten, heute auf Ihre Kinder schauen, die vor dreizehn, vierzehn, fünfzehn Jahren auch süß und winzig klein waren, dann wird dieses Psalmwort aus der Geburtsanzeige auch für Sie sprechend:

Der Herr hat ein Großes an uns getan, des sind wir fröhlich.

Ihre kleinen Kinder sind groß geworden, aber sie bleiben das Gottesgeschenk, das sie immer waren! Und Sie bleiben die Eltern, die darüber fröhlich sind, dass Sie genau dieses Kind, kein anderes, begleiten dürfen auf seinem Lebensweg.

Es ist ein Geheimnis, das so offensichtlich ist, dass es uns meist spät auffällt: Wir sind und bleiben die Kinder unserer Eltern, die Eltern unserer Kinder - egal wir alt und groß wir werden! Das ist für diejenigen von Ihnen, die heute auch ein bisschen die Wehmut des Abschieds von der Kindheit empfinden, auch als Trost gesagt.

Natürlich verändert sich was: Teenager sind halt irgendwann nicht mehr besonders kuschelig, oder zumindest wollen sie nicht mit Mama oder Papa kuscheln, und auch der Elternthron, den man bisher inne hatte, kann gehörig wackeln. Aber eine grundlegende Bindung in Liebe kann das alles überdauern und Ihre Kinder werden Ihre Nähe immer wieder suchen und Ihre Worte, und Ihren Trost, und Ihren Apfelkuchen - oder was sonst dieses Gefühl von nach Hause kommen auslöst.

Nun aber ist es dran, Ihren - ein bisschen auch unseren - Kindern mit Gottvertrauen den Raum zum Pfeilflug ins Leben zu geben und sie ihren ganz eigenen Paukenschlag fürs Leben finden zu lassen – des sind wir fröhlich!

Amen.


Michael Ebener, Göttingen