Neue Übersetzungen und ein alter Streit

Vertraute Worte werden fremd.


Die neue Zürcher Bibel als Kunstbibel, gestaltet mit Schriftbildern von Samuel Buri. ©️TVZ

In jüngster Zeit sind zwei neue Bibelübersetzungen in deutscher Sprache erschienen: im Herbst 2006 die „Bibel in gerechter Sprache“ und im Sommer dieses Jahres die neue „Zürcher Bibel“. Jede Übersetzung des „Urtextes“ in hebräischer und griechischer Sprache ins Deutsche ist eine erste Auslegung der Heiligen Schrift. So entfacht jede neue Übersetzung eine Diskussion um Irrtümer in der Übertragung.

In Erinnerung an Luthers vorschnelles und harsches Urteil über Zwinglis Übersetzung des Alten und Neuen Testaments warnt Achim Detmers: Wenn manches Vertraute fremd erscheine, sollte das Anlass geben, über das Vertraute nachzudenken, anstatt das Neue abzuwehren:

"Die Sprache in Luthers Übersetzung des Neuen Testaments war im süddeutsch-schweizer Raum nur schwer zu verstehen. Deshalb sahen sich Zwingli und seine Mitstreiter 1525 veranlasst, an einer eigenen Bibelübersetzung zu arbeiten. Sechs Jahre später erschien in Zürich die erste vollständige Bibelübersetzung der Reformation. Aufgrund der besseren philologischen Kompetenz – vor allem im Hebräischen – waren die Zürcher damit 3 Jahre schneller als die Wittenberger, die erst 1534 ihre vollständige Bibelübersetzung herausbringen konnten. Getrübt wurde die reformatorische Leistung der Zürcher aber durch zwei Umstände: zum einen durch den gewaltsamen Tod Zwinglis in der Schlacht von Kappel im Herbst 1531 und zum anderen durch die ablehnende Haltung Luthers gegenüber den Zürcher Bibelübersetzungen.

Fast 500 Jahre später liegt nun die Zürcher Bibel erneut in einer überarbeiteten Fassung vor. Mehr als zwanzig Fachleute aus den Bereichen Theologie, Exegese und Germanistik haben 23 Jahre lang an der Übersetzung gearbeitet. Seit dem 25. Juni 2007 ist die neu übersetzte Zürcher Bibel im Buchhandel erhältlich. Aus diesem Anlass sei an einen Brief Luthers erinnert, den er am 31. August 1543 an den Zürcher Drucker Froschauer schickte, als dieser ihm eine lateinische Ausgabe der Zürcher Bibel zugesandt hatte:

»Gnade und Friede im Herrn! Ehrbarer, umsichtiger, guter Freund! Ich habe die Bibel, die Ihr mir durch Eure Buchhändler zugeschickt und geschenkt habt, empfangen. Und um Euretwillen weiß ich Euch dafür guten Dank. Aber weil es eine Arbeit Eurer Prediger ist, mit denen weder ich noch die Kirche Gottes Gemeinschaft haben kann, ist es mir leid, dass sie so völlig umsonst gearbeitet haben werden und zudem verloren sind. Sie wurden hinreichend gewarnt, von ihrem Irrtum abzulassen und die armen Leute nicht so jämmerlich mit sich in die Hölle zu führen. Aber da hilft keine Ermahnung, [wir] müssen sie fallen lassen. Darum dürft ihr mir weder schicken noch schenken, was sie machen oder arbeiten. Ich will mich der Verdammnis und der lästerlichen Lehre nicht teilhaftig machen, sondern mich ohne Schuld wissen, gegen sie beten und lehren bis an mein Lebensende. Gott möge jedoch etliche bekehren und den armen Kirchen helfen, dass sie solche falschen und verführerischen Prediger einmal loswerden. Amen. Obwohl sie darüber lachen, werden sie einst weinen, wenn sie das Zwingli ereilte Gericht, dem sie folgen, auch finden werden. Gott behüte euch und alle unschuldigen Herzen vor ihrem Gift. Amen.« (WA.B (1947), Nr. 3908).

Man sollte meinen, dass solche reflexartigen Reaktionen auf Bibelübersetzungen der Vergangenheit angehören. Doch auch heute werden neuere Übersetzungen nach dem Lesen des Vorwortes und nach einem Vergleich mit wenigen vertrauten Passagen der Luther-Übersetzung in Bausch und Bogen verdammt, ohne sie detailliert zur Kenntnis zu nehmen. Maßstab einer Bibelübersetzung ist aber immer noch der hebräische und griechische Urtext, keinesfalls aber eine angeblich ›sprachlich vertraute‹ Übersetzung oder ein konfessionelles Vorurteil. Das, wofür die Übersetzerinnen und Übersetzer mehrere Jahre gebraucht haben, sollte erst nach dem Studium des gesamtes Textes beurteilt werden. Dass einem dabei so manches Vertraute fremd erscheint, sollte mehr Anlass geben über das ›Vertraute‹ nachzudenken, als in Abwehrreaktionen gegen das »Neue« zu verfallen."

Dr. Achim Detmers ist Pfarrer in Güsten und Dozent des Kirchlichen Fernunterrichts (KFU).