Das Ticken der Uhr

Barth über Lebenszeit

»Das Ticktack der Uhr ist eine Stimme, die man nicht aufs erste Anhören versteht. Wir tun aber gut, genau auf das zu hören, was sie uns zu sagen hat. Eine Reihe von Fragen ruft sie uns in die Seele hinein: Was wird denn aus dir, Menschenkind, wenn die Zeit umgeht? Was bist du gewesen und geworden in den Zeiten, die nun verflossen sind? Was wird mit dir geschehen, und was wirst du tun in der Zukunft, die nun raschen Schrittes näherkommt? Und was wirst du von dir selber halten, wie wirds dir sein, wenn es einmal nicht bloß von einem Tag oder Jahr, sondern von deiner Lebenszeit heißen wird: Vergangen, vorbei, dahinten!? Und dann weiter: Von was hängt das alles ab, was die Zeit, die abgelaufene Zeit uns gebracht hat an Ernstem und Frohem, an Bösem und Gutem — von wem hängt das ab, was die Zeit uns bringen wird? Auf was kommts schließlich an in unserem Leben? Was gilt? Wem sind wir unterworfen, und nach was haben wir uns zu richten? Wer oder was ist die Macht über uns? Das sind die Fragen, die ein Jahreswechsel in uns aufweckt, mehr oder weniger deutlich und lebhaft, und auf die wir gut tun, Rede zu stehen.« (Karl Barth, Predigt zu Ps 31,15f, in: Predigten 1914 (GA I.5), 4).