Brüggemann-Hämmerling: 'Reformiert zu glauben heißt für mich durchdacht zu glauben'

Interview mit dem neuen Generalsekretär des Reformierten Bundes


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Am 1. März 2022 wird Hannes Brüggemann-Hämmerling sein neues Amt als Generalsekretär des Reformierten Bundes aufnehmen. Wir sprachen mit ihm über Besonderheiten der Reformierten, die künftig engere Zusammenarbeit mit UEK/EKD - und zu der Frage, wie eine zukunftsfähige Kirche aussehen kann.

Ref-info: Herr Brüggemann-Hämmerling, in den letzten Jahren haben Sie vielfältige Erfahrungen in der Gemeindearbeit gesammelt. Momentan sind Sie Pfarrer in der Reformierten Gemeinde Ossingen in der Schweiz. Was schätzen Sie an dieser Arbeit besonders?

Brüggemann-Hämmerling: Mir gefällt die enge Zusammenarbeit. Hier auf dem Dorf erlebe ich viele engagierte Gemeindemitglieder. Man muss dazu wissen: Die meisten Bewohner gehören in Ossingen der reformierten Gemeinde an – in Deutschland sind die Reformierten oft eine Minderheit. Auf dem Land bin ich immer Pfarrer, in der Kirche genauso wie auf dem Spielplatz mit meinen Kindern oder abends in der Beiz. Vieles passiert nebenbei im Alltag, die Bewohner kennen mich. Manchmal kann das eine Belastung sein – Arbeit und Freizeit lassen sich nicht immer trennen. Aber ich schätze den Zusammenhalt, auch in schwierigen Zeiten: In den letzten Monaten habe ich die Fusion der Kirchengemeinden Weinland Mitte begleitet. Unsere Aufgabe ist es hier, verschiedene Kräfte mit ihren Wünschen zusammenzubringen. Kirchenstrukturen müssen umgestaltet werden. Das ist nicht einfach, aber so können wir selbst die Zukunft der Gemeinden gestalten.

Ref-info: Was hat Sie motiviert zum Reformierten Bund zu kommen?

Brüggemann-Hämmerling: Die Stelle des Generalsekretärs wird in Zukunft enger an die UEK angebunden. Diese unterschiedlichen Aufgaben haben mich gereizt. Die Reformierten bekommen mit dem Generalsekretär nun außerdem eine hörbare Stimme in der UEK/EKD. Sie können damit enger zusammenarbeiten – und das wird auch nötig sein: Die Frage, wie Kirche zukunftsfähig werden kann, bewegt uns momentan alle. Die Reformierten haben gute Grundlagen: Das presbyterial-synodale Prinzip ist fest bei uns Reformierten verankert. Die Beteiligung der Mitglieder spielt für uns seit jeher eine große Rolle. Damit lassen sich für die Zukunft auch leichter neue Wege finden.

Ref-info: Der Reformierte Bund versteht sich als Verein für den Austausch seiner reformierten Mitglieder – aber auch als Stimme nach außen. Welche Schwerpunkte wollen Sie in ihrer Arbeit in den ersten Monaten setzen?

Brüggemann-Hämmerling: Ein Schwerpunkt, den ich sozusagen geerbt habe, wird für mich die Neubearbeitung der Reformierten Liturgie sein. Ich freue mich an diesem Projekt mitarbeiten zu können. Die Reformierte Liturgie ist im deutschsprachigen Raum weit verbreitet, auch viele Lutheraner nutzen sie. Sie ist damit eine wichtige Stimme der Reformierten nach außen wie innen. Dazu möchte ich in meiner Anfangszeit aber natürlich erst einmal ankommen: Mitglieder kennenlernen, Kontakte zu den Landeskirchen herstellen. Die Hauptversammlung im Mai 2022 wird eine erste Gelegenheit fürs persönliche Kennenlernen sein.

Ref-info: Welche Möglichkeiten ergeben sich aus der engeren Zusammenarbeit des Reformierten Bundes mit der UEK?

Brüggemann-Hämmerling: Die engere Zusammenarbeit bietet Möglichkeiten für ein Lernen voneinander und Arbeiten miteinander. Es ist ein ökumenisches Vorhaben, Reformierten Bund und UEK näher zusammenzubringen und dabei auch für die konfessionellen Besonderheiten ein Ohr zu haben. Gemeinsam mit der UEK können auch größere Vorhaben angegangen werden, gleichzeitig behält der Reformierte Bund die Vorteile einer flachen Hierarchie und kurzer Wege. Die Präsenz im Kirchenamt der EKD ermöglicht eine gute Vernetzung mit der EKD und anderen Gliedkirchen.

Ref-info: Gemeinden werden zusammengelegt. Reformierte Gemeinden sind in Deutschland außerdem oft recht klein, Mitglieder leben verstreut, räumlich getrennt. Wie können Reformierte in Deutschland zusammenarbeiten und ihre Gemeindearbeit fortführen?

Brüggemann-Hämmerling: Die Pfarrperson könnte sich in Zukunft eher als Befähiger verstehen: als einer also, der Kirchenmitgliedern die nötigen Impulse an die Hand gibt, damit sie auch im Kleinen Kirche sein können. Kirchenmitglieder könnten in Zukunft vermehrt digital in Kontakt bleiben. Auch das Hauskreismodell sehe ich als eine Möglichkeit. Distanzen sind außerdem nicht immer ein Problem: Vielerorts sind Menschen durchaus bereit, 20 Kilometer zu fahren, um Gottesdienste oder Kirchenkreise ihrer Gemeinde zu besuchen. Weil es ihre reformierte Gemeinde ist, mit einem reformierten Zugang, einem reformierten Gottesdienstmodell. Reformierte bieten einen eigenen Zugang zum Glauben, und das ist eine Kultur, die wir stärken sollten.

Ref-info: Was macht Reformierte für Sie aus?

Brüggemann-Hämmerling: Reformiert zu glauben heißt für mich durchdacht zu glauben. Das zeigt sich in unseren oft langen Predigttexten, der Bedeutung des Konfirmandenunterrichts, wie auch im Abendmahl- und Taufverständnis. Diese große Lust am Nachdenken erlebe ich auch in den Gemeinden: Reformierte überlegen sehr genau, was für uns als Christen wichtig ist. Dazu gehören manchmal auch Zweifel. Reformierter Glaube ist kein einfaches Unterfangen. Es gibt keine einfachen Antworten und es folgt daraus ein großer Anspruch an uns und unser Handeln.

Ref-info: Heute sind viele junge Menschen politisch aktiv, engagieren sich z.B. für Bewegungen wie „Fridays for Future“. Sie setzen sich also sehr stark mit ihrem eigenen Handeln in der Welt auseinander. Ist das eine Chance? Ließen sich mehr jüngere Menschen in Zukunft auch für Kirche begeistern?

Brüggemann-Hämmerling: Junge Menschen kommen viel herum, sind online unterwegs. Mit dem Generationenwechsel geht deshalb auch ein Sprachwechsel einher. Möglicherweise wird die jüngere Generation im Digitalen eine Heimat finden. Online-Netzwerke bieten Möglichkeiten, mit jüngeren Menschen leichter in Kontakt zu kommen. Man wird auch dann aber vermutlich nur Leute ansprechen, die auch eine gewisse Affinität zu Glaubensthemen haben. Was Kirchen nach wie vor beschäftigt, das ist deshalb eher die Frage, welche Angebote wir unseren Mitgliedern machen können – neben Gottesdiensten sowie Kinder- und Jugendprogramm. Da ist oft eine Lücke. In den nächsten Jahren werden viele Pfarrerinnen und Pfarrer in Rente gehen, die Frage wird also besonders den Nachwuchs beschäftigen. In meinen ersten Monaten als Generalsekretär möchte ich mich dazu mit Theologiestudierenden austauschen.

Ref-info: Zur nächsten Hauptversammlung des Reformierten Bundes bildet der jüdisch-christliche Dialog einen thematischen Schwerpunkt. – Wie sollte heute der Dialog zwischen Christen und Juden aussehen?

Brüggemann-Hämmerling: Der Austausch zwischen Christen und Juden gehört zu unserer historischen Verantwortung, als Christen und als Deutsche. Der jüdisch-christliche Dialog öffnet Räume für neue Blickwinkel auf theologische Themen. Er soll Austausch ermöglichen. Aber auch ein Ort sein, der gegen jeden Antisemitismus einsteht. Wir sollten uns bewusst machen, dass Dialog wechselseitig stattfinden muss und nicht nur einseitige Wissensvermittlung darstellen sollte. Für einen Dialog auf Augenhöhe ist wichtig, dass Jüdinnen und Juden Tempo und Themen vorgeben dürfen.


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