Bedeutender Theologe und Widerstandskämpfer des 20. Jahrhunderts

Thesen zur Bedeutung Barths

1. Karl Barth ist der wohl bedeutendste und einflussreichste evangelische Theologe des 20. Jahrhunderts. Sein Hauptwerk, die ›Kirchliche Dogmatik‹, ist ein riesiges, mit keiner Leistung in der neueren evangelischen Theologiegeschichte vergleichbares Werk.
2. Barth war theologischer Kopf der Bekennenden Kirche und des evangelischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Er kämpfte gegen Rechtsextremismus sowie gegen die ›Gleichschaltung‹ und Instrumentalisierung der Kirche.
3. Barth hat mit seiner Unterscheidung von ›Christengemeinde und Bürgergemeinde‹ jeglicher christlicher Staatsmetaphysik eine Absage erteilt und so den theologischen Zugang zur Demokratie ermöglicht.
4. Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich Barth intensiv an den Überlegungen zur Neuorganisation der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK). Er setzte sich für die Wiederaufnahme voller ökumenischer Beziehungen zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein und riet zu einem offenen Umgang mit dem schuldbeladenen, aber auch gebeutelten Deutschland.
5. Schon früh engagierte sich der reformiert geprägte Barth für die Ökumenische Bewegung. Er mahnte die Weltkirchenkonferenz 1954 in Evanston, die Beziehung zum Judentum als große ökumenische Frage wahrzunehmen.
6. In der Zeit des Kalten Krieges trat er für eine Versöhnung der Völker in Ost- und Westeuropa ein und setzte sich gegen die Wiederbewaffnung beider deutscher Staaten und gegen die atomare Aufrüstung ein.
7. Barths Werk fand international große Beachtung. Bemerkenswert ist seine Rezeption in der röm.-kath Theologie. Die enorme Wirkungsgeschichte Barths ist an der kontinuierlichen Wahrnehmung seines Werkes in der deutsch-, französisch-, italienisch und englisch-sprachigen Literatur deutlich abzulesen. Die Zahl der weltweit erschienenen Titel ist inzwischen kaum noch zu überblicken.

Das alles rechtfertigt bereits, sich im Anschluss an seinen 50. Todestag intensiver mit Barth und seinem Wirken zu beschäftigen. Darüber hinaus sind es sieben theologische Aspekte Punkte, die eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem Werk Barths lohnenswert machen:
a. Barths Verweis auf die Aufgabe der Theologie: Die Erkenntnis von Gottes Wesen und Willen im biblisch bezeugten Wort Gottes ist der erste und eigentliche Gegenstand der Theologie.
b. Barths Verortung seiner theologischen Existenz im Kontext der Kirche: Die Kirche ist der notwendige irdische Raum der raumzeitlichen Präsenz des Wortes Gottes.
c. Barths radikale Kirchen-, Religions- und Ideologiekritik: Theologische Kritik erkennt, dass die sog. ›Moderne‹ nach der Aufklärung versagt hat, dem Wiederaufleben alter – überwunden geglaubter – ›Götter‹ Einhalt zu gebieten.
d. Barths Relativierung konfessioneller Partikularinteressen: Theologische Erkenntnis ist nicht exklusiv in einer Konfession beheimatet, sondern ereignet sich im Diskurs der Konfessionen.
e. Barths späte ›Lichterlehre‹ von den Wahrheitsmomenten in anderen Religionen: Auch außerhalb des Kreises von Israel und Kirche existieren Spuren von Gottes Wahrheit und Wirklichkeit in den Quellen und Traditionen anderer Religionen.
f. Barths zeitgemäß-unzeitgemäße und zur Eigenverantwortlichkeit drängende Theologie: Die Aufgabe der Kirche in der Welt ist die kritische und prophetische Zeitgenossenschaft der Kirche.
g. Barths (auch seelsorgerlicher) Versuch, die Abgründe der Geschichte theologisch zu fassen: Die Welt mit all ihren ›herrenlosen Gewalten‹ wird von der verborgenen, wenngleich realen Gegenwart Gottes umfasst, regiert und der Aufrichtung seines Reiches zugeführt.
Diese sieben Punkte umfassen Kernbereiche im Wirken Karl Barths. Ihre ›Relevanz‹ für Verkündigung, Lehre und Seelsorge ist unmittelbar ersichtlich. Zudem werden Horizonte eröffnet für die Auseinandersetzung mit anderen Religionen und mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. 


Achim Detmers