Aus der Enge in die Weite

06.01.2019

Als Karl Barth zu Neujahr 1962 eine Radioansprache hielt, hätte er allen Grund gehabt, den Rückzug ins Reduit religiöser und politischer Sicherheit anzutreten: Der Bau der Berliner Mauer und die Invasion in der Schweinebucht waren nur zwei der vielen Ereignisse, die 1961 die Menschen in Atem gehalten hatten.

Dieser Enge der Angst stellte er aber nicht geistliche Waffenrüstungen oder die weltliche Forderung nach mehr Panzern gegenüber. Barth nahm das herrschende Bedürfnis nach Sicherheit und Festungen dennoch ernst. Nämlich, indem er es vom Kopf auf die Füsse stellte. Und das Denken und Fühlen aus der Enge in die Weite führte:

«Fest sind die Herzen von Menschen, die heute nicht hassen, wo die meisten hassen, sondern lieben, wo nur wenige lieben. Fest sind die Herzen von Menschen, denen Geben seliger ist als Nehmen, denen Brot für die Brüder bereitzustellen heute wichtiger erscheint als [...] nach neuen, noch schrecklicheren Waffen zu greifen. Fest sind die Herzen von Menschen, die darauf vertrauen, dass auch alles das, was vermöge unserer menschlichen Torheit [...] noch geschehen mag, in der festen Hand des gnädigen Gottes seine Grenze und sein Ziel hat. Die festen Herzen solcher Menschen werden auch im Jahr 1962, was es uns auch bringe, sie werden in Ewigkeit standhalten.»

Dominik von Allmen